Bergsteigen im Flachland

Urs Mannhart

In seinem neuen Roman folgt der Schweizer Autor gleich mehreren Protagonisten quer durch Europa.

Die Schauplätze: Serbien, Aserbaidschan, Schweiz, Rumänien, Kosovo, Slowenien, Niederlande, Spanien, Russland, Frankreich, Italien, Montenegro, Österreich, Polen, Dänemark, Norwegen, Deutschland, Bosnien und Finnland – von dort allerdings kommt nur ein Brief, ein Liebesbrief. Ein Reiseziel wird es (leider) dennoch nicht.

Als Drehpunkt der kapitelweise wechselnden Geschichten fungiert der junge Schweizer Journalist Thomas Steinhövel. Kaum das er von seinen Reportagen leben kann, kämpft er als Idealist um jede Geschichte, um jedes Wort und immer gegen die Kürzungen und die Ignoranz der Zeitungsredakteure. Aber das nur am Rande.

Das Buch erzählt von einem rumänischen Mathematikprofessor, der um seine Familie erhalten zu können unter anderem als Erdbeerpflücker in Spanien unter unwürdigsten Bedingungen schuftet. Die Geschichte folgt einer serbischen Familie, so wie einem albanischen Jungen durch die Schrecken des Krieges Ende der 1990er Jahre.

Man begleitet zeitgleich die Schwester Steinhövels, eine junge engagierte Juristin, nach Den Haag sowie einen ebenfalls jus-studierten, serbischen Profikiller.

Für die Leserschaft ist es Thomas Steinhövel der die Geschichten verbindet, welche zugleich aufzeigen wie groß und weit Europa ist und wie nahe es doch sein könnte.

Ein in der Schweiz untergetauchter albanischer Professor der aus Angst Ziel eines Attentats zu werden, als Aushilfsradmechaniker arbeitet, sagt im Gespräch mit seinem soeben aus der Heimat geflüchteten Neffen „… Menschen, die nicht vertraut sind mit der Geschichte, die den Fehler machen, alten, längst leeren Symbolen nachzurennen, finden selten ihren Platz in der Gegenwart. Und all jene, die nicht verstehen, dass es in unserem Fall bitter nötig ist, Geschichte als etwas Abgeschlossenes zu betrachten, werden wenig zu einer neuen Kulturgesellschaft beitragen.“

Bergsteigen im Flachland erzählt von Menschen die nicht bereit sind Grenzen gegen eine gemeinsame Zukunft zu tauschen, begleitet aber auch jene die Bereits gemeinsam am Weg sind. Menschen, die nicht auf die ethnische Historie eines Menschen achten sondern auf den Menschen selbst, im hier und jetzt.

Für die einen, wie für die anderen gilt: Jeden Moment kann das Leben, wie wir es kennen enden und schon im nächsten Moment steht man unvorbereitet auf unbekannten Terrain – unerwartet ist man ein Bergsteiger im Flachland.

Urs Mannharts Buch ist 2014 im Secession Verlag für Literatur in Zürich erschienen. Ein Verlag dessen Bücher im Moment wohl zu den inhaltlich interessantesten, sowie zu den in ihrer Machart schönsten am Markt zählen. Mannhart wurde für seinen dritten Roman 2016 mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis ausgezeichnet.

Buchcover

Bergsteigen im Flachland
Urs Mannhart
Roman – secession verlag
Gebunden ohne Schutzumschlag, 661 Seiten
ISBN 978-3-905951-32-5
€ 25,70